Aus dem Munde der Dreikäsehoch-Enkelin ist es die „Opa-Schule“, aus seinem eigenen eine tiefe Herzensangelegenheit: Franz-Josef Bürkle, gebürtig aus der kleinen baden-württembergischen Gemeinde Schutterwald bei Offenburg, hat sich mit Beginn des zweiten Schulhalbjahres 2021/22 nach fast 37 Jahren Dienstzeit von „seiner“ Schule, dem Gymnasium Michelstadt, in die Pension verabschiedet.
Schulleiter Richard Knapp fand für den scheidenden Studiendirektor, der seine beiden Staatsexamina nach dem Studium in Freiburg noch in der badischen Heimat absolviert hatte, freundschaftlich-humorvolle Worte, die ein beredtes Bild des überaus engagierten katholischen Religions- und Lateinlehrers zeichneten, der – so Knapp – ein „Macher“ und „Anpacker“ sei, der der Schule fehlen werde.
Nach seinen Anfängen als Junglehrer im Odenwald, wo es laut Bürkle in der ersten Zeit ähnlich wie am Verabschiedungstag fast immer geregnet habe, etablierte er sich schnell als ein vielseitig interessierter, geselliger und hoch strukturierter Kollege, dem es neben der Liebe zu seinen Fächern beständig auch um das Wohl der Schülerschaft, des Kollegiums und der Schule ging. 2001 stieg er zum Oberstudienrat auf und kümmerte sich nachhaltig um den Umweltschutz an der Schule, der dadurch im Schulprogramm verankert werden konnte. Die Agenda 2020 trieb ihn ebenso um wie seine Tätigkeit als Schulpersonalrat, Klassenlehrer, Leiter des religiös-pädagogischen Arbeitskreises auf Kreisebene, Fahrtenorganisator oder geschätzter Ansprechpartner für Lehrende und Lernende gleichermaßen.
Knapp betonte sein Verdienst um die Betreuung der NS-Zeitzeugen, aber auch Bürkles Initiative hinsichtlich der eingerichteten Schulpartnerschaften. Insbesondere die mittlerweile Jahrzehnte bestehende Schulpartnerschaft mit der italienischen Gemeinde Olevano Romano nahe Rom geht auf seinen Einsatz zurück, aber auch alle anderen Anlaufziele rund um den Globus für unzählige Schülergenerationen hat er mitgepflegt und alljährlich neu koordiniert. Wie wichtig ihm Reisen im Zusammenhang mit Sprache, Kultur und Bildung sind, zeigt sein zeitweiliges Interesse, sich für den Auslandsschuldienst zu bewerben, eine Idee, die er jedoch zum Glück für das Gymnasium Michelstadt nicht weiterverfolgt habe, wie Richard Knapp darlegte. Stattdessen organisierte Bürkle mehrfach Studienreisen für interessierte Kollegen nach Israel und brachte Christen, Juden und Moslems, das Land Israel, die Landschaft Palästina und ihre Jahrtausende alte Geschichte eindrucksvoll einander näher.
Als Bürkle 2006 Leiter des Fachbereichs der Geistes- und Gesellschaftswissenschaften wurde, erweiterte er seinen unermüdlichen Einsatz für Fairplay und didaktisch-pädagogische Gerechtigkeit automatisch auf die Belange des Schulleitungsgremiums. Denn in diesem, so Bürkle in seiner eigenen kurzen Ansprache, habe er sich gerade auch deshalb so wohlgefühlt, weil es immer versuche, Belastungen abzuschwächen und die Schule voranzubringen, weshalb er um Vertrauen und Unterstützung für das nun sogar um zwei Fachbereichsleitungen reduzierte Schulleitungsteam warb.
Geworben hat er über Jahre hinweg auch für die bildungstechnischen Alternativen, für die Bereiche der Studien- und Berufsorientierung und vor allem für den sozialen Bereich.
Überhaupt war Bürkle als Lehrer eine ganzheitliche Persönlichkeit, er erfasste die Menschen und die Dinge und auch wenn er die Verwaltung mitunter ein wenig aus dem Tritt zu bringen vermochte, indem er zum Jahresbeginn bereits die Formulare der Abiturprüfungen anmahnte – die klassische Humanität ging ihm über alles. So stellte er in seinen Abschiedsworten auch heraus, dass es ihm wichtig sei, möglicherweise noch ausstehende Missverständnisse im Gespräch geklärt zu haben, nicht gehen zu wollen ohne Konsens und dabei dennoch Frank Sinatras „I did it my way“ pfeifen zu können.
In diesem Sinne war er auch federführend bei der Gestaltung ungezählter geselliger Ereignisse und fand sich nur bedingt mit vordergründig gebotenen Grenzen ab. So unterhielt Schulleiter Knapp die aufgrund von Pandemie und Hygieneplan maskiert angetretenen Kolleginnen und Kollegen im geöffneten Multiraum beispielsweise mit einer rhetorischen Klimax, die sich pointiert in die Höhe schraubte wie der jährlich größer werdende Weihnachtsbaum, der unter Bürkles handwerklichem Konstruktionsgeschick mittels Seilen, Flaschenzug und tatkräftiger Unterstützung mehrerer starker Helfer mittlerweile in der Vorweihnachtszeit beinahe drei Stockwerke über der Aula der Schule aufragt.
Auch Bürkles Hilfsbereitschaft ist legendär. Sowohl Tassilo Schindler für den Personalrat als auch Michael Kinstler und Christiane Schwermer für die Schulleitung dankten Franz Bürkle gerade für diese hervorstechende Charaktereigenschaft, die ihn zum beliebten Lehrer und geschätzten Kollegen gemacht hat. Wie geschätzt, offenbarte die von Ethik-Kollegin Julia Eschenfelder initiierte „GyMi-Olympiade“, die die Fachschaften seines Fachbereichs, aber auch die Kicker der Fußballrunde, die Hausmeisterloge sowie seine Lateinfachschaft als bunten Parcours im gesamten Aulabereich der Schule aufgebaut hatten. Vom Geschicklichkeitsspiel über historische Fragen bis zur Verortung leckerer Weinlagen oder einem Torschuss waren die unterschiedlichsten Aufgaben erdacht worden.
Dass er tatsächlich das Recht auf Ruhestand hat, demonstrierte nicht nur Richard Knapp mit der formalen Verleihung der Urkunde in Anerkennung der geleisteten Dienste für das Land Hessen, sondern auch Franz Bürkle, der selbstironisch die musikalische Umrahmung seines Abschieds in die Hand nahm, indem er zu Beginn Udo Jürgens‘ Ohrwurm „Mit 66 Jahren“ am Klavier anstimmte. Neben einigen lateinischen Bonmots rundete er seine Botschaft an Kollegium, Personalrat, Schulelternbeirat, Schulverein und OVBuK e.V. mit einem Leitspruch Johannes‘ XXIII. ab, dem er nachfolge: Nimm dich selbst nicht zu wichtig. CHRISTIANE SCHWERMER