„Der beste Weg, die Zukunft vorauszusagen, ist, sie zu gestalten.“ – Dass sich die tiefere Wahrheit dieses Zitats von Willy Brandt ausgerechnet in einem Projekt mit dem sperrigen Namen Partizipative Situations- und Raumanalyse (pasira) wiederfinden lässt, erlebten die Schülerinnen und Schüler der Klasse Ea mit ihrem Politiklehrer Niklas Kirsch in den Tagen vom 09.-11. September. Organisiert wurde das Projekt von der Stabstelle Integration des Odenwaldkreises in Kooperation mit dem Verein Politik zum Anfassen. Das primäre Ziel dabei war es, belastbare Daten zu Einstellungen und Erlebnissen im Zusammenhang mit Extremismus, Ausgrenzung und Diskriminierung zu erheben. Parallel zu dieser Bestandsaufnahme der Gegenwart waren die Schülerinnen und Schüler aufgefordert, sich der tatsächlichen Gestaltung der eigenen Zukunft vor Ort zu widmen.
Gemeinsam mit Schülergruppen der Reichelsheimer Georg-August-Zinn-Schule und der Höchster Ernst-Göbel-Schule bekamen sie dafür zunächst lebendige Einblicke in politikwissenschaftliche Arbeitstechniken; so besuchten die Schülerinnen und Schüler mehrere Crashkurse zu statistischen Grundlagen wie beispielsweise dem Unterschied zwischen Kausalität und Korrelation, den Möglichkeiten, mit Statistiken zu schwindeln, sowie der Frage danach, was überhaupt eine „gute“ Frage ausmacht. Daran anknüpfend, konnten die angehenden Forscher selbst aktiv werden und in Zusammenarbeit mit Dr. Christina Meyer (Diakonie Odenwald), Gunther Fuchs (Odenwald gegen Rechts) und Daniel Serra da Silva (JWO) einen interessengeleiteten Fragebogen erstellen. Mit diesen Fragebögen fanden am 10. September die eigentlichen Befragungen in den jeweiligen Heimatkommunen statt. Dabei wurden sowohl Gleichaltrige in den Schulen als auch Passanten in Einkaufszentren, Rathäusern und Fußgängerzonen befragt. Insgesamt konnten innerhalb eines Tages gut 1400 Datensätze erhoben werden. Bei deren Auswertung zeigte sich deutlich, dass es für gut 25% der Befragten Orte im Odenwald gibt, an denen sie sich unsicher oder sehr unsicher fühlen. Knapp die Hälfte gab zudem an, selbst bereits Erfahrung mit Diskriminierung gemacht zu haben; insgesamt empfanden die Befragten mehrheitlich eine Tendenz zur Zunahme von Diskriminierung. Dafür spricht auch, dass auf die Frage, ob und welche Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit im Odenwald aufträten, 84% der Befragten Rassismus auswählten. Auf den Folgeplätzen landeten Sexismus (46%), Islamfeindlichkeit (42%) und Homophobie (40%). Gleichzeitig gibt nur knapp jeder Fünfte an, sich gut oder sehr gut von der Kommunalpolitik repräsentiert zu fühlen.
Um an dieser Repräsentationslücke anzusetzen und somit dem Anspruch Brandts zu entsprechen, galt es im zweiten Schwerpunkt der Projekttage, Vorhaben und Ansätze zur besseren Beteiligung Jugendlicher im Odenwald zu erarbeiten. Die Bandbreite der erarbeiteten Ideen reichte dabei vom Naturschutz über die Förderung junger Künstler hin zu einem verbesserten Angebot an Event- und Partylocations. Einen beachtlichen Anreiz bot dabei die Aussicht darauf, Gelder von der Partnerschaft für Demokratie (PfD) zur tatsächlichen Realisierung dieser Projekte zu generieren und somit die Ebene der grauen Theorie zu verlassen.
Am Ende der Tage standen letztlich sowohl Einblicke in die politikwissenschaftliche Arbeit als auch die Erfahrung, aktiv selbst politisch gestalten zu können.
Die Ergebnisse der Projekttage werden von den Schülerinnen und Schüler im Rahmen des Fachtags Odenwälder Demokratie am 27.09. um 16:00 Uhr in der Werner-Borchers Halle in Erbach vorgestellt. Hierzu sind alle Interessierten herzlich eingeladen!