Fabian Reichl

                   Fabian Reichl, Abitur 2010

Nachdem ich bereits in den Genuss kommen konnte, zwei unserer Ehemaligen-Berichte zu lesen, habe ich mich entschlossen, meinen eigentlich schon fertigen Bericht neu zu formulieren. Das geschieht über die Tastatur eines Internetcafés in Banyuwangi, Indonesien. In nächster Nähe befindet sich der Berg (gunung auf Indonesisch) Ijen, welcher für sein „blaues Feuer“ bekannt ist: selbstentzündete Schwefelströme, welche in den Kratersee des Vulkans fließen. Nicht minder beeindruckend ist die Arbeit der Träger, welche über 80kg Schwefel schultern und bis zu einer Sammelstelle am Kraterrand transportieren – ein sehr einprägsames Szenario.

Wie komme ich hierher? Nach meinem Abitur 2010 war ich mir zunächst nicht ganz im Klaren über meine künftigen Ziele, aber froh über die vielen Möglichkeiten. Wir können uns in Deutschland glücklich schätzen, mit dem Abitur in der Tasche erst einmal die Qual der Wahl zu haben. Studium oder lieber Ausbildung? Trotz hoher Lebenshaltungskosten ist ein Studium in Deutschland finanziell erschwinglich, vergleicht man unsere Situation mit anderen Ländern, und der Ausbildungsmarkt freut sich über jeden Schulabgänger, der sich gegen die akademische Laufbahn entscheidet. Nach einem FSJ im Rettungsdienst des DRK Odenwaldkreis, welches viele wertvolle Erfahrungen mit sich brachte und ein bisschen Zeit zum Überlegen entschloss ich mich gänzlich im Gegensatz zu meinen schulischen Vorlieben für ein Ingenieurstudium. Während ich meine Oberstufe mit den Leistungskursen Musik und Englisch genoss und erst für die Abiturprüfung ernsthaft für Mathe zu lernen anfing, reizten mich am Ingenieurwesen die Tätigkeitsfelder, ein (für mich) herausforderndes Studium und zum damaligen Zeitpunkt meiner Auffassung nach auch das angesehene Berufsbild. Ich glaube, dass ich meine musischen und sprachlichen Neigungen weiterhin in Hobbys, ergänzend zum Berufsleben, ausleben kann. Die Wahl fiel auf die Technische Universität und das Studium der Umweltingenieurwissenschaften. Wichtig war mir die Beschäftigung mit weltweit präsenten Problemen, was mich relativ bald dazu brachte (das heißt, nachdem ich das trockene Grundstudium überstanden hatte), mich auf den Wassersektor zu spezialisieren. Meine Schwerpunkte liegen im Bereich der Hydrologie, Wasserbau und Renaturierung sowie Wasserversorgung und -entsorgung. Zurzeit befinde ich mich in meinem Masterstudium, welches ich in etwa einem Jahr abschließen werde.

Die Studienzeit ermöglicht es, wie schon an anderer Stelle erwähnt wurde, sich auszuprobieren, neue Seiten an sich zu entdecken, sich in anderen Bereichen weiterzubilden – sofern man diese Möglichkeit nutzt. Von 2013 bis 2014 absolvierte ich ein Auslandsjahr in Kolumbien, welches ich als eines der prägendsten Jahre meines Lebens betrachte. Die Bereicherung ist schwer in Worte zu fassen, umfasst zum Beispiel neue Freunde und eine zweite Familie, das lateinamerikanische Lebensgefühl und die Kultur  sowie die sprachliche Entwicklung. Es folgten ein Praktikum in Nicaragua und die darauf aufbauende Bachelorthesis, sowie nun ein vermutlich letztes Auslandssemester zu Studienzeiten in Indonesien, um mich auch mit Teilen der asiatischen Kultur auseinanderzusetzen. Diese Aufenthalte und Erfahrungen brachten mir Freundschaften und Kontakte aus vielen Teilen der Welt ein und hielten in mir ständig das Reisefieber und die Lust, mehr zu entdecken und Erfahrungen auszutauschen, wach. Was stelle ich mir für die Zukunft vor? Zunächst die Arbeit im Consultingsektor zu Entwicklungsprojekten in der Wasserwirtschaft, später dann vielleicht auf längere Zeit in Deutschland, vielleicht auch in Südamerika – je nachdem, wie die Dinge verlaufen.

An dieser Stelle halte ich es für angemessen, mich bei den Lehrern des Gymnasiums Michelstadt zu bedanken, insbesondere bei Herrn Wolter für die Zeit als unser Klassenlehrer und für unseren Schüleraustausch mit Olevano Romano, der in mir die Freude an anderen Ländern und Gesellschaften geweckt hat; bei Herrn Bauer für seinen abwechslungsreichen und warmherzigen Unterricht, der mir u.A. über unser Theaterprojekt sehr viel mehr mit auf den Weg gab als Grammatik und Vokabeln, bei Herrn Schüssler für seine Begeisterung am Erzählen und der historischen Interpretation, bei Herrn Spekker für seine erfrischenden Perspektivwechsel im Powi-Unterricht und seinen unvergleichlichen Witz sowie noch bei vielen anderen. Ihr Unterricht hat mich besonders geprägt und wird mir auf lange Jahre in bester Erinnerung bleiben.

Es wird noch in vielen Berichten zur Sprache kommen, doch verliert es dadurch nicht an Gewicht: „Sapere aude“ ist allen voran ein Motto für das Leben und gibt uns als wichtigste Botschaft unserer Schulzeit mit auf den Weg: Hinterfrage, kritisiere, probiere dich aus, vertraue auf deinen eigenen Verstand! Das Denken nimmt einem Niemand ab. In Zeiten der „fake news“, Informationskriege, technischen Entwicklungen wie der künstlichen Intelligenz, ethischen Fragestellungen der biologischen/medizinischen Forschung etc. halte ich dieses Mantra für aktueller den je. Ich bedanke mich herzlichst für meine Schulzeit am Gymnasium Michelstadt und wünsche allen Lehrern und Schülern Spaß am Lehren und Lernen, für die Noten und für das Leben.