Anabell Wagner

Anabell Wagner
Wie ich aus „Sapere Aude“ genau das Gegenteilige machte

Zum 200-jährigen Jubiläum des Gymnasium Michelstadt wird ein ganz wesentlicher Satz wieder und wieder fallen, vielleicht hat ja jemand die Geduld zu zählen.

Unser Schulmotto „Sapere Aude“ ganz nach Kant,
„habe den Mut dich deines Verstandes zu bedienen.“

Am Gymnasium Michelstadt sollte ich darauf vorbereitet werden, zu studieren, einen adäquaten Job zu finden, der klassischerweise dazu führen sollte meine Rente zu sichern. Ich bekam nach dem Studium einen fantastischen ersten Job, habe diesen gekündigt, meine Wohnung aufgegeben und so ziemlich alles verkauft oder verschenkt, was ich besaß, um mit einem 40 Liter Rucksack auf unbestimmte Zeit reisen zu gehen.

Was das Gymnasium Michelstadt damit zu tun hat? Neun Jahre Schule prägen, erziehen und lehren ungemein, wahrscheinlich mehr, als uns bewusst ist. Wenn man uns eines am Gymi gelassen hat, dann war hinterfragen zu dürfen.

 Ja, auch wenn nun große Aufschreie kommen von Schulsystem-Kritikern, stehe ich hinter dieser Aussage. Wäre ich auf eine andere Schule gegangen, hätte ich sicherlich andere Entscheidungen getroffen. Vor allem erinnere ich mich heute noch an so manchen Lehrer, der die eine oder andere Aussage brachte, über die ich heute noch nachdenke.

„Sapere Aude“ bedeutet nicht nur den Mut zu haben, sich seines Verstandes zu bedienen, ich möchte einen Schritt weitergehen, man sollte auch den Mut haben seinen Verstand zu hinterfragen. Unser Verstand mag uns sagen, man könne nicht einfach aus seinem vorherbestimmten Alltag ausbrechen. Es gibt immer eine Entschuldigung, wieso „jetzt“ nicht der richtige Moment für etwas ist. Ich sage ganz bewusst, habt den Mut euren Verstand an die Wand zu fahren und das zu tun, was ihr wirklich im Leben tun möchtet… nach dem erfolgreichen Abschluss des Abiturs natürlich.

Hoi An (Vietnam), 27. Oktober 2017