Elena und Rebecca Uni

Im Jahr 2014 haben die Zwillinge Elena und Rebecca Reinhard am Gymnasium Michelstadt ihr Abitur gemacht. Mit Leistungskursen in den Fächern Deutsch und Französisch war für die beiden Beerfelderinnen bereits lange klar, dass es beruflich in die Richtung „Irgendwas mit Medien“ gehen sollte. Die Entscheidung fiel nicht schwer, denn eine der renommiertesten Städte der Medienlandschaft liegt nicht einmal 100 Kilometer von Michelstadt entfernt: Nach Mainz sollte es gehen! Mit Publizistik im Haupt- und Politikwissenschaft im Beifach studieren die Schwestern nun im 7. Semester und schreiben derzeit an ihrer – wie sollte es anders sein – gemeinsamen Bachelorarbeit, in der sie die Darstellung Martin Schulz‘ in der Printberichterstattung untersuchen. Doch auch neben dem Studium nutzen die Zwillinge die vielen Möglichkeiten der Medienstadt Mainz – sei es die Arbeit im Marketing bei einem Start-up, im freien Journalismus oder als Kolumnistinnen bei der Studentenzeitung „Publizissimus“.

Elena und Rebecca haben u.a. den nachfolgend abgedruckten Bericht über Regelstudienzeiten für campus-mainz.net geschrieben, der in ähnlicher Form auch im Publizissimus, der studentischen Institutszeitung der Publizisten im Sommersemester 2017 erschien.

 

Regelstudien- was?

Erscheinungsdatum: 19.09.2017

Autoren:  Elena und Rebecca Reinhard

„Nächte durchschreiben, um bloß in Regelstudienzeit abzuschließen? Das muss nicht sein.

Spätestens seit der Bologna-Reform hat für viele Studierende (und deren Eltern) das Verlängern der Regelstudienzeit gänzlich an Salonfähigkeit verloren. Elena und Rebecca, Kolumnistinnen beim Publizissimus, erklären, wieso es längst überfällig ist, sich einfach mal mehr Zeit zu lassen.

Flashback in unser Ersti-Semester vor drei Jahren: Nick Jackob hält vor 150 motivierten Erstis die Eröffnungsvorlesung. Und hält ein Plädoyer – nicht etwa für ein diszipliniertes Studium – sondern warnt eindringlich vor dem Einhalten der Regelstudienzeit: "Genießt das Studium, macht ein Auslandssemester. Es gibt ein paar Studenten, die hier in sechs Semestern durchrennen, aber da habt ihr doch nichts vom Leben." Stattdessen, so rät er uns, sollten wir lieber mal ein Bier trinken gehen. Oder zwölf. Verblüfft schauen wir uns um. Schon jetzt beginnen wir, das Studium zu mögen.

Drei Jahre später sitzen wir mit unserem Vater am Frühstückstisch. Brötchen-aufschneidend fragt er scheinbar ganz nebenbei: "Seid ihr eigentlich im Plan mit eurem Studium?" Nachmittags mit Mama beim Kaffee dann: "Sagt mal, ihr seid doch jetzt im 6. Semester. Schreibt man da nicht eigentlich seine Bachelorarbeit?" Mh. Wir offenbar nicht. 

G8, Bologna – die Turbo-Ausbildung und ihre Folgen

Aber so what? Denn seien wir ehrlich: Was hat Bologna uns denn gebracht? Hauptsächlich sechs verschulte Semester mit dem Ziel, früher auf dem Arbeitsmarkt präsent zu sein. Mit 23 Jahren wohlgemerkt. Obendrein geht die Turbo-Ausbildung mit unangenehmen Nebenwirkungen einher: permanenter Prüfungsstress, intensive Lernphasen auch während des Semesters (ok, wir geben es zu – Publis sind davon nicht in erster Linie betroffen…) und leider auch: viel zu wenig Zeit, sich wirklich intensiv mit den Inhalten des Studiums zu befassen.

Oft gibt es leider keine Alternative zum von Dozenten allseits gefürchteten "Bulimie-Lernen". Deshalb scheint es nur verständlich, dass es im Seminar oft nicht zu lebhaften Diskussionen kommt. Viel zu groß ist die Angst, vor dem Dozenten schlecht da zustehen, wenn die eigene, vermeintlich "falsche" Meinung vorgetragen wird – denn die nächste Hausarbeit sitzt uns Studis immer im Nacken.

Das kennen wir ja bereits aus der Schule: Dank G8 sind wir es längst gewöhnt, durch regelrechte Bildungsmaschinen geschleust zu werden. Und das soll im Studium genauso weitergehen? Wir sagen: Nein! Denn Studieren bedeutet auch, selbst Entscheidungen zu treffen und es sich auf eigene Verantwortung einzuteilen. Modulpläne sind durchaus modifizierbar und dienen als Orientierungshilfe, nicht als Vorschrift. Und diese Freiheit ist ein Luxus, den wir uns im Studium auf keinen Fall nehmen lassen sollten.

Hinterfragen, diskutieren, sich eine Meinung bilden – auch das gehört zum Studium

Denn Fakt ist: Es sollte kein "richtig" und kein "falsch" geben. Uni ist auch – sogar in erster Linie – dafür da, persönlich zu reifen und dazu gehört auch die Herausbildung einer eigenen Meinung. "Sapere aude"("Wage es, weise zu sein") war schon zu Zeiten Kants das Mantra der Gelehrten. Schließlich sind wir jetzt im genau richtigen Alter, uns intensiv mit Ideen und Theorien zu beschäftigen, um letztlich die Fähigkeit zu haben, Dinge zu hinterfragen. Und bei andauernden Referaten, Prüfungen, Abgaben und Bachelorarbeit bleibt dafür in sechs Semestern leider nur wenig Zeit.

Der Sinn von Klausuren sollte also nicht nur der Schein für Modul X oder die möglichst gute Note, sondern – auch wenn das abgedroschen klingt – der Gewinn von Wissen und Bildung sein. Und das sollte möglichst länger anhalten als bis zum nächsten Semester. Aber Achtung: Natürlich sollten wir diesen Gedanken nicht maximal strapazieren: Im zwölften Semester noch zu studieren, ist gewiss nicht cool. Uni ist nicht dazu da, jahrelang auf der faulen Haut zu sitzen.

Die Uni und ihre unendlichen Möglichkeiten zur Weiterbildung

Uns geht es vielmehr darum, sich einfach mal nicht stressen zu lassen. Besser: Das vielfältige Angebot der Uni schamlos ausnutzen. Egal ob Photoshop am ZDV, Italienisch am ISSK oder nicht zuletzt die Mitarbeit beim Publizissimus – die Möglichkeiten sind ebenso interessant wie unerschöpflich. Denn ganz ehrlich: Wir werden im Berufsleben wohl nie mehr die Möglichkeit haben, kostenlos in den Genuss verschiedenster Angebote zu kommen. Und die Zeit dazu werden wir sowieso nicht haben. Diese Soft Skills, wie man auf Unternehmerdeutsch sagt, sehen im Lebenslauf allemal besser aus als ein Bachelorstudium, das in drei Jahren straight durchgezogen wurde.

Übrigens finden wir, dass das Studium trotz allem viel komfortabler ist als 40 Stunden pro Woche vor einem Rechner zu sitzen, denn arbeiten kann man noch lange genug. In diesem Sinne – wir sehen uns im Photoshop-Kurs!“